Einmal mehr gewährt uns Fräulein Zoccoli einen Einblick in ihre Welt und wie sie sie sieht. Es ist ein Kopfkino mit Anleihen bei Fellini und Elementen aus Hitchcocks «Psycho».

   Das Licht geht aus, der Ton an. Popcorn.

Kamerafahrt durch ein sommerliches Gartenrestaurant. Auf den Tischen Weisswein­gläser und grüne Oliven. Stimmengewirr, entferntes Lachen. Frauen in geblümten Röcken, Männer in weissen Hemden. Plötzlich: Schritte auf dem Kies. Und aus dem Off die Stimme von Fräulein Zoccoli: «Liebe Askforce, Sie haben sicher schon Männer in solch engen Velohosen angetroffen, zum Beispiel in einem Gartenrestau­rant, die man nur als unzüchtig bezeichnen kann.» Die Kamera schwenkt auf Hüft­höhe, dazu das Crescendo-Motiv aus der «Psycho»-Duschszene. Fräulein Zoccoli flüstert: «Man sieht einfach mehr, als man will, sogar, wenn man rasch wegschaut.»

   Schnitt.

Zoom auf das Gesicht von Fräulein Zoccoli: «Sicherlich hat die Enge ihre Funktion, aero­­dynamisch oder so wird das schon sein; damit sind diese Rennvelofahrer wohl schneller an ihrem Ziel.» Und dann zunehmend verzweifelt: «Liebe Askforce: Wie viel schneller ist Mann in engen Velohosen als zum Beispiel in weiten, flatternden, kurzen Hosen? Und was macht Mann dann mit der durch die aerodynamische Hose gewon­nenen Zeit am Ziel?»

 Schnitt und Abspann. Es ist ein Kurzfilm.

Die Askforce beantwortet die Frage wie folgt: Liebe Fräulein Zoccoli, ja, wir haben diese Männer auch schon angetroffen. Wir erinnern uns allerdings mehr an ihre rasierten Beine. Doch was das mit Windschlüpfrigkeit, Wundheilung und der täglichen Massage zu tun hat, wollen Sie ja gar nicht wissen. Sie fokussieren ein Stockwerk höher. Und wir glauben zu wissen, dass man dort, wo Ihr Blick hinfällt, Fräulein Zoccoli, meist viel weniger sieht, als das den Männern selber lieb wäre. Zumindest quantitativ.

Aber Hand aufs Herz: Ihnen geht es gar nicht um unsere Antwort, sondern darum, Ihre frivole Frage mit diebischer Freude einem breiteren Publikum darzubringen. Warum sonst würden Sie es bei der Zieldurchfahrt der von Ihnen inspizierten Velo­fahrer aus­drücklich flattern lassen? Und das erst noch in weiten, kurzen Hosen? Liebe Fräulein Zoccoli: Sie wissen genau, welche Bilder Sie mit solchen Formulierungen evozieren!

Übrigens, wenn Sie tatsächlich schon Begegnungen mit Radlern in engen Hosen in Gar­tenrestaurants erlitten haben, wissen Sie genau: Man riecht sie, lange bevor man sie sieht! Es bleibt immer genug Zeit, wegzuschauen, Fräulein Zoccoli ­– wenn man weg­schauen will.

Askforce Nr. 1074
22. Mai 2023