Eine richtige Scheissfrage

Wir zögerten lange, die Frage von Radfahrer Martin B. aufzugreifen, denn wir wollen den Graben zwischen Berner Oberland und Berner Unterland nicht weiter aufreissen. Der in Wimmis Verwurzelte behauptet nämlich, die Redewendung «Hunde, die scheissen, beissen nicht» sei eine «Biker-Weisheit aus dem Berner Oberland». Und er fragt: «Kann ich mich als Velofahrer darauf verlassen?»

Seine Frage zeigt: Die Weisheit im Berner Oberland hat noch nicht das Endstadium ihrer Entwicklung erreicht. Denn Hunde, die scheissen, beissen durchaus. Sie tun es in der Regel bloss nicht gleichzeitig. Die Radler der Oberländer Denkschule sind also gebeten, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Hund im Allgemeinen eher zur Weisheit des Zen neigt: Er tut ein Ding aufs Mal. Dafür richtig. Wenn er beisst, beisst er. Wenn er scheisst, scheisst er. Der moderne Mensch im Allgemeinen ist dagegen eher dem Multitasking zugetan. Er kann zum Beispiel Velo fahren und gleichzeitig Oberländer Weisheiten rezitieren. Aber auch er tendiert just beim Verrichten der Notdurft dazu, sich auf nur ein Geschäft zu fokussieren.

Um hier einen entscheidenden Schritt weiterzukommen, müssen wir festhalten: Die Frage von Martin B. ist eine richtige Scheissfrage. Mit ihrem Fokus auf die Körperausscheidung ruft sie in uns allen Restanzen der eigenen kleinkindlichen Pipikaka-Fäkalphase wach. Das hemmt das analytische Denken. Darum gehen wir die Frage ab hier streng mathematisch an – mit den Mitteln der Mengenlehre.

In Bezug auf die Menge aller scheissenden Hunde (S) sind die beissenden Hunde (B) eine Teilmenge. B ist in S enthalten! Alle Hunde, die beissen, scheissen. Aber nicht alle Hunde, die scheissen, beissen. Für Radfahrer ist das eine Erkenntnis, die etwas Hoffnung rechtfertigt: Je kleiner die Teilmenge B in Bezug zur Gesamtmenge S, desto geringer die Wadenbiss-Wahrscheinlich­keit.

Trostlos wäre, wenn das Umgekehrte gälte: Wenn die scheissenden Hunde (S) eine Teilmenge der beissenden Hunde (B) wären. Das würde Caniden voraussetzen, die sich nie versäubern müssen; Hunde, die zwar fressen, bei Bedarf beissen, aber nie müssen. Eine monströse hundezüchterische Vision: Diese Wesen wären zu ewigem und rasend schnellem Wachstum verdammt, denn irgendwo in ihrem Innern müssten sie ja Raum schaffen, um ihre Verdauungsendprodukte dauerhaft abzulagern. Solche vollgeschissenen Monster müssten als Kampfhunde klassiert werden – allein ihrer erschlagenden Grösse wegen.

Zurück zu Ihnen nach Wimmis, lieber Martin B.! Bitte verlassen Sie sich nicht auf Ihre Oberländer Weisheit. Trotz Hunden, die zu Zen neigen, trotz des Trostes, den die Mengenlehre spendet. Aber fahren Sie bitte beim Biken mit Kollegen immer in der Spitzengruppe. Denn eines gilt immer: «Den Letzten beissen die Hunde.»

Askforce Nr. 1210
1. Dezember 2025