Es klang fast wie ein Hilferuf. Theo F. aus K. schrieb uns nämlich: «Ich möchte unbedingt einen fassen. Aber mir kommt keiner in den Sinn. Haben eventuell Sie mir einen Vorschlag für einen hippen, guten Vorsatz fürs neue Jahr?» Obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass Herr Theos Frage sarkastisch gemeint ist, entschied sich die Askforce, das Anliegen sorgsam zu prüfen.
Aufhören zu rauchen; anfangen abzunehmen; weniger fernsehen; mehr in die Ferne sehen; weniger lügen; mehr zu Fuss gehen; pünktlicher Alimente zahlen; ein besserer Mensch werden. Grundsätzlich, Herr Theo, ist die Palette möglicher Vorsätze breit. Und so bleibt der Entscheid, was ein «hipper» Vorsatz ist, ein sehr individueller.
Vor einem Entscheid lohnt es sich, zunächst das Wesen des guten Vorsatzes auszuloten. Das Schöne am guten Vorsatz ist ja, dass Sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn Sie ihn nicht erfüllen. Damit wird der gute Vorsatz primär zu einem Akt des persönlichen Marketings: Sie versprechen vor Freund:innen irgendetwas Interessantes oder Edles – und werden dafür für diese Menschen zu einem interessanteren, edleren Zeitgenossen.
Sie könnten nach der weihnächtlichen Materialschlacht – dieser Unterjochung des Menschlichen mit der Keule des Geschenkes – etwa den klugen Vorsatz fassen, nächstes Jahr für Besinnung und Entsagung zu werben. Sie könnten dabei gescheit referierend erklären, dass zwischen Gabe und Gift ja ein Zusammenhang bestehe, wie wir ja leicht am altertümlichen Wort Mitgift sähen. Aber selbstverständlich würden Sie auch mit diesem Vorsatz scheitern, denn wer zum Soundtrack von «Süsser die Kassen nie klingeln» moralisiert, gilt als sehr freudloser Zeitgenosse.
Das führt uns nun zum eigentlichen Problem guter Vorsätze. Seit Omichrot dem Älteren wird ja gelehrt, ein nicht erfüllter Vorsatz kippe leicht in sein Gegenteil. Logisch: Wer mit seinen Vorsätzen scheitert, macht eine Versagenserfahrung und verspürt Scham und Schuld. Die Abermillionen jährlich allein in der Schweiz nicht umgesetzten guten Vorsätze führen zu einem derart grossen Schuldkomplex, dass er zwangsläufig zum Grossen Verdrängen führt. Unter dem Strich: Es ändert sich nicht nur nichts, es kümmert uns sogar noch weniger als vorher. Der gute Vorsatz macht also unter Umständen die Welt etwas schlechter. Wer es nicht glauben will, muss halt rechnen lernen! Seit 1990 wurde in der Schweiz jeweils aufs Neujahr hin mindestens 25 Millionen Mal der Vorsatz gefasst, endlich abzunehmen. Im gleichen Zeitraum stieg das durchschnittliche Gewicht aller in der Schweiz Lebenden um fast 2,5 Prozent.
Unterschätzt wird übrigens der schlechte Vorsatz. Die Absicht, kein besserer Mensch werden zu wollen und etwa den Vorsatz zu fassen, die tumbe Nachbarin vorsätzlich zu ärgern und ihr allpott den Waschküchenschlüssel zu verstecken, ist zwar nicht edel, aber vielleicht ehrlicher als viele der guten Vorsätze. Äusserst interessant ist aber das Scheitern beim Umsetzen schlechter Vorsätze: Wer mit dem schlechten Vorsatz – Nachbarin ärgern – scheitert, muss sich höchstens damit abfinden, selber halt doch irgendwie ein toleranter Mensch zu sein. Kurz: Die Welt wird ein Spürchen besser.
Askforce Nr. 641
30. Dezember 2013