Peter L. aus Bern hat ein hartes Los. Er ist Hausmann und will alles recht machen. Er sorgt sich um die gesunde Ernährung der Familie, tischt Biofrüchte auf, kauft saisongerecht ein, putzt schadstofffrei. Mehr noch: Er vermittelt bei seinem Tun seinen drei Buben stets auch gesellschaftliche und kulturelle Werte. So hat Peter L. letzte Woche nicht nur Kirschen serviert, sondern auch das Liedchen angestimmt, dass er seinen Jüngsten letztes Jahr beigebracht hatte:

Chumm, mir wei ga Chrieseli gwünne

Weiss amne Ort gar grüseli vil

Roti, schwarzi, gibeligälbi

Zwöi bis drü an einem Stiel

Er sei gar nicht dazu gekommen, das «Falleri, fallera» anzustimmen, da sei der «Super-GAU» schon eingetreten: «Der Älteste forderte subito eine dieser Dreierkirschen.» Da habe er feststellen müssen, dass er selber noch nie etwas anderes als Kirschen mit einer Kirsche pro Stiel gesehen habe. Es sei «ein schwerer Schlag», der ihn in seiner Erziehungsarbeit «weit zurückwerfe». Denke er an Tripelkirschen, werde ihm fast schlecht: «Das wären ja Krüppel.» Seine Frage: «Wie gehts weiter?»

Wies weitergeht? Das ist ganz einfach: Das Lied bleibt traditionelles Liedgut. In Hunderten von Kindergärten und Schulen wird es weiter gelehrt werden. Hunderttausende werden weiterhin bereit sein, zu glauben, es wüchsen an einem Kirschenstiel zwei bis drei Früchtchen. Alle sehen diese Doppel- und Tripelkirschen tatsächlich. Es geht also weiter mit dem alltäglichen Beweis, dass das Falsche, sofern oft genug repetiert, gerne als das Wahre akzeptiert wird. Peter L. hat für sich lediglich die ewige «Chrieseli-Lüge» aufgedeckt. Er wird ihr am Stammtisch wieder begegnen: «Jede cha schaffe, wener nume wott» (stimmt, ausser, dass es nicht wahr ist, wie jeder lehrstellensuchende Primarschüler mit -ic und jede Asylsuchende im hängigen Verfahren bestätigen kann). «Früecher isch’s eifach besser gsi» (stimmt, ausser, dass es nicht wahr ist, wie jeder ehemalige Verdingbub und jedes umsorgte «Kind der Landstrasse» weiss). Ihnen zuliebe könnte man ja wenigstens die zweite Strophe des Liedchens häufiger singen:

‘S lit nid alls an eim Paar Hose

‘S lit nid alls an eim Paar Schue

‘S isch nid alls a dr Hübschi gläge

‘S lit viil meh am ordelige Tue

Die Kirschen können Sie künftig zwecks Risikominderung auch gerne der Askforce zum fachgerechten Verzehr überlassen.

Askforce Nr. 569,
30. Juli 2012