Ziemlich dezidiert teilt uns ein Herr L. mit: «Die Albisgüetzlirede sagt doch einfach die folle Wahrheit!!!!» An sich ist das gar keine Frage. Aber die Askforce analysiert Zuschriften auch dann sorgfältig, wenn das Fragezeichen fehlt. Herr L.s Feststellung zwingt immerhin zu Fragen: Ist seine Rechtschreibung Hinweis auf intellektuelle Sparsamkeit oder besondere Kreativität? Ist er Bilingue und meint mit «folle Wahrheit» eigentlich «la vérité folle»? Will er prüfen, ob die Askforce den Zusammenhang zwischen der Albisgüetli– und der Albisgüetzlirede kennt?

Sie kennt ihn. Für die Uneingeweihten: Bäcker-Konditor Albert «Albi» Münger hielt vermutlich um 1953 an verschiedenen Partei- und Vereinsversammlungen seine legendäre Güetzlirede. Gerne zitieren wir aus dem metaphorischen Werk:

«(…) Was soll das Gerede, es gebe in unserer Güetzlibüchse zu viele Spitzbuben? Wie fad wär’ denn der Alltag ohne diese aus feinem Mailänderliteig Hervorgegangenen! Vergessen wir eines nicht: All das Eigene, das uns so heimatstiftend erscheint, trägt in sich die Würze des Fremden. Im Güetzli steckt nicht nur die bindende Kraft des Mehles und – je nach Rezept – die triebhafte Energie des Backpulvers. Im Güetzli steckt auch der mundende Beweis, dass das Leben durch das bislang Unvertraute reicher wird. Der Zimtstern ohne Zimt aus Zeylon? Fad! Das Bärner Brätzeli ohne Zitronenschale aus Sizilien und etwas Vanille aus Madagaskar? Fad! Das Basler Leckerli ohne Nelkenpulver aus Sulawesi? Das Anis-Chräbeli ohne Anis aus Korinth? – Man muss in dieser Frage immer klar auf der Seite des Volkes sein, das weiss, wie viel reicher sein Leben durch Weltoffenheit wird (…).»

Albi Müngers Mission blieb äusserst erfolglos. Anderseits wirkt seine Rede bis zum heutigen Tag in der fast gleichnamigen Albisgüetlirede nach. So kam Christoph Blocher heuer nicht umhin, fürs Basler Leckerli zu werben. Und ganz in Anlehnung ans Original betitelte er seine Rede mit den Worten «auf der Seite des Volkes». Abgesehen davon unterscheiden sich die beiden Reden. Nicht beide sagen die «folle» Wahrheit.

Askforce Nr. 353,
4. Februar 2008