Der im Liebefeld wohnhafte Herr Martin Undsoweiter wendet sich wissensdurstig an die Askforce. Seine Frau sage ihm am Morgen oft: «Ig ha gschlafe wie ne Türlistock.» Bis anhin habe er das «einfach zur Kenntnis genommen». Nun aber frage er sich doch, was denn ein Türlistock überhaupt sei.
Die Askforce ist gerührt, wie Herr Martin die Türe des ehelichen Schlafzimmers etwas öffnet und uns teilhaben lässt an den Fragen des dortigen Schlaf- und Gesprächsklimas. Allerdings ist die Antwort brutal banal: Zwei fest verankerte, massive, senkrechte Balken und ein waagrechter Balken darüber ergeben einen Türrahmen, oder eben einen Türstock, mundartlich Türlistock. Etwas salopp gesagt ist also die Rede von einem Pfosten, von einem unbeweglichen Pflock.
In der Regel hält sich ja die Askforce zurück mit Kritik an den Fragestellern. Hier aber kommt sie nicht umhin, sich zu fragen, ob der Herr aus dem Liebfeld richtig handelt, wenn er Aussagen seiner Gattin über Jahre hinweg nur «zur Kenntnis» nimmt, ohne deren Inhalt wirklich zu verstehen? Durchschreitet er denn all die Pforten des Lebens, ohne die Türstöcke zu sehen? Stammt er gar aus unbelesenem Hause?
Hätte er nämlich je Gotthelf gelesen, wäre er allpott über einen Türlistock gestolpert – etwa in «Hansjoggeli der Erbvetter», wo zwei Zanggiwyber so polzgredi voreinander erstarren, «dass man fast hätte glauben sollen, unser Herrgott hätte neu ein Wunder verrichtet und die beiden Weiber zu zwei Türlistöcken werden lassen». Und von sich selber sagt der Nationaldichter aus Lützelflüh, die Leute sollten nur merken, dass er kein Türlistock sei, an den jeder Hund brünzeln könne. Item. Was gibt es da sonst noch zu sagen?
«Was gibt es da sonst noch zu sagen?»: Stellt sich diese Frage, hält die Askforce jeweils kurz inne und stärkt sich mit einem Zvieri. Gestern etwa hat sie saisongerecht und dem gotthelfschen Exkurs angemessen einen währschaften Bitz Brot und ein rechtes Stück Emmentaler abgesäbelt – Emmentaler ® AOC des Labels «Eidgenoss», vertrieben vom Schwingfest-Sponsor mit dem orangen M im Namen. Der Käse ist von guter Qualität, das Kleingedruckte auf der Käseetikette eine Offenbarung für Wissensdurstige:
«Schon als 1291 die Eidgenossenschaft gegründet wurde, hievten starke Männer Tücher, prall gefüllt mit Käsebruch, in die Höhe. (…) Aus diesem Käsebruch sollte schon bald der berühmteste Käse der Welt entstehen: der Emmentaler AOC. Zur selben Zeit entstand eine weitere typische schweizerische Tradition: das Schwingen. Damals noch eine Randsportart (…) En 1291 déjà, à l’origine de la Suisse, en Emmental, de grand gaillards hissaiant (…)»
Wir lernen: Die Wiege der Schweiz von 1291 liegt im Emmental (!); Emmentaler gabs Jahrhunderte bevor die Labkäserei entdeckt wurde (!); der Reifeprozess des Käses dauert 715 Jahre (!), denn was 1291 aus dem Kessi gehievt wurde, wurde 2006 ins AOC-Register eingetragen. Und eben: Schwingen war 1291 nicht Kranzsportart, sondern Randsportart (!). Welches war die Hauptsportart? Die Sportfunktionäre des 13. Jahrhunderts protokollierten es: der Reislauf, denn es wütete ja noch keine GSoA.Sie sehen, Herr Martin: Wer bloss zur Kenntnis nimmt, erkennt Käse nicht mehr als solchen. In diesem Sinne: Seien Sie einfach froh, dass Ihre Gattin nicht sagt: «Ig ha gschlafe wie näb em ne Türlistock.» Für die nächste Analyse ihrer morgendlichen Gespräche raten wir Ihnen beiden übrigens die nette Wanderung auf den Türlistock (1502 m, Koordinaten: 47°5’26’’ N, 8°35’37’’ E).
Askforce Nr. 624
2. September 2013