«Warum kann man Medikamenten Beipackzettel zwar jeweils auseinander falten, schafft es dann aber nicht, sie mühelos wieder richtig zusammenzufalten?» Das fragt uns Simona B. aus Bern. Richtigerweise erahnt sie im vermeintlich Kleinen das übergeordnet Grosse: «Es dürfte sich hierbei nicht um ein persönliches Problem handeln, sondern um einen Umstand, der schon seit geraumer Zeit der Menschheit Kopfzerbrechen bereitet.»
Gerade wegen der Dimension des Problems ist es für uns Pflicht, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Die Antwort ist freilich banal: Die Unmöglichkeit, Beipackzettel wieder ordentlich zusammenzufalten, ist kein Mangel, sondern knallhartes Kalkül der Pharmaindustrie. Sie hat die komplexe Beipackzettelfaltkunst mit Absicht entwickelt.
Sie fragen sich, warum? Die Zusammenhänge sind klar: Der Glaube in ein Medikament stärkt dessen Wirkung. Der Patient muss deshalb vor allfälligem Zweifel geschützt werden. Ein Fallbeispiel klärt die Wirkungsweise: Nehmen wir an, Ihnen gehe das Geplärre des Berner Knabenchors so sehr auf den Geist, dass Sie sich ein leichtes Schlafmittel verschreiben lassen. Fällt die Wahl zufällig auf das unbescholtene Produkt Benocten, dann raubt Ihnen die Lektüre des Beipackzettels mit Sicherheit erst recht den Schlaf: Ihnen drohen – wenn auch mit äusserst geringer Wahrscheinlichkeit – Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Diarrhöe, Hypotonie, Hypertonie, Blutbildveränderungen, Somnolenz mit anticholerger Symptomatik, Halluzinationen und bei grösseren Überdosierungen tonisch-klonische Krämpfe, Delirium «und eventuell Koma».
Schlaflos wegen einem Schlafmittelbeipackzettel! Dessen Lektüre führt also zu unerwünschten Nebenwirkungen. Die Pharmamultis kommen nun zwar ihrer Informationspflicht nach, nutzen aber geschickt das hierzulande verbreitete Ordentlichkeitssyndrom: Sie kalkulieren ein, dass viele den Zettel gar nicht auffalten, und verbessern so die Wirksamkeit ihrer Medikamente. Wir alle schlafen so besser. Clever, nicht wahr?
Askforce Nr. 246
21. November 2005