Herr Lehmann (sic) hat sich an die Askforce gewandt. Nein, nicht der Herr Lehmann aus dem bekannten deutschen Buch und dem Film, aber einen Bezug gibt es trotzdem. Im Buch und im Film wird die Hauptfigur von allen mit Herr Lehmann angeredet, dabei aber stets geduzt. Du, Herr Lehmann. Die Frage UNSERES geschätzten Herrn Lehmann nun dreht sich – genau: ums Duzen. «Liebe Askforce, warum darf die Polizei Einbrecher duzen?» Das fragt uns Herr Lehmann, nachdem ihm eine Präventionskampagne der Berner Kantonspolizei in die Augen gestochen ist.

Warnt doch die Polizei die Bösewichte auf Plakaten und Postkarten durch direkte Ansprache: «Einbrecher aufgepasst! Hier schauen die Nachbarn zueinander und geben euch keine Chance.» Jede Meldung sei wichtig (Tel. 112/117). Illustriert ist das Ganze mit einer hellwachen Dame am Telefon. Sie rapportiert den Ordnungshütern, was sie gerade durchs Fenster beobachtet: dass einer beim Nachbarn übers Tor klettere und sich anschicke, den abwesenden Hausherrn um Hab und Gut zu bringen. Er trage ein Karo-Hemd.

Warum darf die Polizei Einbrecher duzen? Herr Lehmanns Frage kommt so unschuldig daher, doch die Askforce hat nächtelang debattiert. Dabei ist ein 579-seitiges Skript entstanden, das Rechtsgelehrte gerne bei uns anfordern können. An guten Tagen antwortet die Askforce Herrn Lehmann wie folgt: Die Polizei möchte doch einfach locker rüberkommen, jeglichen martialischen Eindruck vermeiden. Hey, Einbrecher, easy! Deeskalation mittels Anrede. Liebe siegt über das Verbrechen. Vielleicht kennen die Landjäger ihre Pappenheimer aber auch und sind tatsächlich mit ihnen Duzis. Wiederholungstäter. Sieh an, du schon wieder. Ab ins Kittchen! Oder es ist etwas Berndeutsches. «Euch» wäre dann kein Duzen, sondern ein Siezen, und würde eigentlich bedeuten: Einbrecher, hier geben Ihnen die Nachbarn keine Chance.

An anderen Tagen denkt die Askforce das Ganze konsequent zu Ende. Stellt sich vor, wie da ein Einbrecher des Weges kommt. Die Warnung der Berner Kantonspolizei liest. Stutzt. Und selbstverständlich umgehend von seinem Vorhaben abrückt. Schön wärs. Nein, werter Herr Lehmann, der wahre Adressat der Polizei ist der brave Bürger. Er soll Augen und Ohren offen halten. Fraglos befürwortet die Askforce Kriminalprävention und gute Nachbarschaft. Die Präventionsmassnahmen sind uns geläufig. Wir leeren den Briefkasten der Nachbarin, wenn diese am Strand liegt. Wir füttern ihre Katze und machen ab und zu Licht in ihrer Wohnung. Aber was meldet der Bürger, der offiziell zum Beobachten und Melden aufgefordert wird? Was kommt ihm hinter seinem Vorhang verdächtig vor? Der Kletterer im Karo-Hemd – vielleicht ist er von der Gärtnerei und hat den Schlüssel vergessen.

Auch die Stadt Bern hat kürzlich eine Nachbarschaftskampagne gestartet. Man kann sich melden und älteren Nachbarn beispielsweise beim Einkaufen helfen, ihnen regelmässig ein Besüchlein abstatten oder mit dem Computer zurechthelfen (www.nachbarschaft-bern.ch). Offen gesagt: Dieses Konzept von Nachbarschaft ist der Askforce um einiges sympathischer.

Herr Lehmann, wir hoffen, du bist mit der Antwort zufrieden.

Askforce Nr. 799,
20. März 2017