Nach dem grossen Amen in Amerika muss die Askforce eine sehr heikle Glaubensfrage anpacken. Unsere Leserin A. Z. hat nämlich aufmerksam registriert, wie viele Amerikanerinnen und Amerikaner über die letzten Wochen hinweg zu Gott gebetet haben, der Richtige oder die Richtige möge gewinnen: «Sicherlich würde Gott all diese Gebete auch gerne erhören – doch wie soll er dies bewerkstelligen? Millionen von Gebeten allabendlich für Donald, Millionen für Hillary – wie kann er alle diese Gebete erhören?»

Ein Dilemma sondergleichen: «Lässt er Donald obsiegen, hat er die Gebete der Anhänger Hillarys nicht erhört, lässt er Hillary obsiegen, zweifeln die Anhänger Donalds fürderhin an ihm.» Zu beneiden sei er wahrlich nicht: «Liebe Askforce, was würden Sie ihm raten?»

Nun, wenn wir unbedingt müssten, würden wir ihm allenfalls raten, jetzt halt seinen Einfluss geltend zu machen, damit das dort drüben einigermassen gut rauskommt, denn bei Lichte betrachtet bot der amerikanische Wahlkampf ja wenig Göttliches. Denkbar ist auch, dem grossen Lenker des Geschehens zu raten, künftig von Beginn weg für eine weniger diabolische Ausgangslage zu sorgen.

Lieber raten wir aber der wahlberechtigten Frau A. Z. und ihresgleichen, auf die ganze Fragerei à la «Wie konnte der Herr das nur zulassen?» zu verzichten. Sie ist gar nicht zielführend. Wir haben hierzulande auch nicht einfach die besseren Wählerinnen und Wähler. Wir haben höchstens den systembedingten Vorteil, dass den allergröbsten Grobianen deutlich weniger politischer Handlungsspielraum gewährt wird.

Vor allem aber ist das Amerika-Bashing unreflektiert. Besser fragt man sich: Was könnte die Schweiz als christlichabendländisch geprägte Nation von der Betfreude der Amerikanerinnen und Amerikaner lernen? Sehen wir uns doch unsere leer stehenden Kirchen an. Bereits wird darüber gebrütet, wie viele von ihnen verkauft und umgenutzt werden müssen. Das ist kleinlich und überhaupt nicht amerikanisch.

Gerade die Kirchen können frohlocken. Wenn Menschen wegen Parteiprogrammen statt Psalmen in den Betmodus geraten, eröffnen sich grundlegend neue Geschäftsfelder: Kirchen könnten an Kandidatinnen und Kandidaten vermietet werden – für gemeinsame Bethappenings. Wenn Slogans wie «Duschen mit Doris» demokratiefähig sind, dann müsste auch «Beten mit Bernd» – oder so ähnlich – durchgehen. Und weil stets zuhauf Kandidierende antreten, die nach gängigen Kriterien keine Chancen haben und darum ganz aufs Glauben angewiesen sind, würde der Markt bestimmt spielen.

Sicher darf man sich fragen: Würde dies die Gesellschaft spalten? Das Risiko ist klein: Auch Amerika glaubt nur vor Wahlen der Losung «Glaube versetzt Berge». Nach der Wahl gilt subito «Macht ersetzt Glaube». Und an der Macht wollen bekanntlich sehr viele teilhaben. Das eint ganz schön.

Askforce Nr. 783
14. November 2016