Endlich kann die Askforce längst Überfälliges klären. Den Steilpass dazu gibt uns Frau A. Z., unsere sehr treue Fragestellerin: «Warum heisst die Darmflora Darmflora? Und wie kommt es, dass der originelle Name bis heute verwendet wird?»
Die Askforce mit ihrer ausgeprägten Fähigkeit, die eigentliche Frage hinter der vordergründigen zu erkennen, war angesichts dieses Briefs verunsichert. Will A. Z. den Begriff Darmflora ächten und stattdessen das politisch und wissenschaftlich korrekte intestinale Mikrobiota durchsetzen, das so korrekt ist, das im Alltag aber niemand versteht? Oder findet sie den Begriff Darmflora sexistisch, weil hier die römische Göttin der Blüte – die Flora eben – in den dunklen Hades des Gedärms verbannt wird? Oder gibt es gar religiöse Bedenken? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Es ist höchste Zeit, den Terminus Darmflora leidenschaftlich zu verteidigen. Er steht für die blühende Poesie der eigenen Innereien.
Streng wissenschaftlich liesse sich der Begriff als Irrtum strafen. Die auf der Darmoberfläche angesiedelten Mikroorganismen wurden in den Anfängen der Darmforschung als dem Pflanzenreich zugehörig betrachtet. Darum Flora. Insgesamt ist der Name aber ein Geschenk an die der deutschen Sprache Mächtigen. Gut, die Schweden (tarmfloran), die Norweger und die Dänen (beide tarmflora) und ein paar andere mehr gesellen sich dazu. In den meisten anderen Sprachen hingegen wird die Darmflora zum intestinalen Irgendetwas. So, nun appellieren wir!
Die Darmflora also. Der Begriff ruft uns stets aufs Neue ihre Existenz und ihre Qualitäten in Erinnerung. Weil wir eine Darmflora haben, ist uns sicher, dass jede wahre Einkehr auf eine innere Blumenwiese führt (und nicht in einen sich kontraktierenden Verdauungstrakt). Alle Darmzotten schön ausgebreitet ergeben eine 35 Quadratmeter grosse, kontemplative innere Wiese, in die infiltriert, was Mutter Natur uns als Nahrung zuteilwerden lässt. Wir meinen: ein schönes Bild.
Verböte man die Darmflora und schriebe man vor, von intestinaler Mikrobiota zu reden, wäre die Poesie dahin. Wenn es heute im Gedärm rumpelt, wissen wir: Es ist das laue Blütenwindchen, das durch die Flora streicht. Entweicht es unserem Innersten, ist es ein würziger Gruss unserer blumigsten Seite. Das Gleiche wird bei jenen, die nur über eine intestinale Mikrobiota verfügen, rasch einmal zum ganz ordinären Stinkefurz.
Lasst uns also zusammenstehen und sie verteidigen, die Flora, diese weiblichste aller inneren Weiten im Manne. Sollten Sie, liebe Frau A. Z., gerade keinen Nächsten finden, der diesen Gedanken mit Ihnen zu teilen bereit ist, dann finden Sie wiederum Trost – in der Darmflora. Die Darmflora ist nämlich auch das Zuhause der Darmfauna, einer Gemeinde kleinster Krabbeldinger. Sie sind also nie allein. Sie sind einer ganzen Welt ein Zuhaus. Und weil Sie ohne die schöne, harmonische Wechselbeziehung zwischen Ihnen und der Ihre Flora bewohnenden Fauna nicht existieren könnten, gilt sogar: Solange sie leben, sind Sie selbst genau genommen viele.
Askforce Nr. 841,
5. Februar 2018