Frau A. Z. beehrt uns mit einer Frage, die es uns endlich erlaubt, unserer werten Leserschaft wirklich Neues zum Thema Stöckelschuhe anzuvertrauen. Aufgefallen ist der Fragestellerin ein Bericht in ihrem Leibblatt, der darlegte, wie eine Gruppe Frauen ein Taxi nahm, «da ihre hohen Absätze so sehr schmerzten». Schmerzende Absätze anstatt schmerzende Fersen? Frau A. Z. erkennt darin – richtigerweise – eine interessante neurologische Frage. Ihr scheine, hier liege ein bislang un-bekanntes Leiden vor, «sozusagen ein umgekehrtes Phantomschmerzphänomen», das nicht von einem nicht mehr vorhandenen Körperteil ausgehe, «sondern von etwas, das bisher noch gar nicht zum Körper gehörte».

Die Fragestellerin ist an sich auf der richtigen Spur. Aber sie zieht aus ihrem Halbwissen bedauerlicherweise den falschen Schluss. Nähern wir uns dem Fragegegenstand deshalb streng wissenschaftlich an: Verlieren wir ein Körperteil, empfängt der sensomotorische Kortex, der Teil der Grosshirnrinde also, der fürs Tastempfinden des ganzen Körpers zuständig ist, weiterhin neuronale Impulse. Will heissen: Die abhandengekommene Hand oder der abfussengekommene Fuss schmerzt saumässig, obwohl nicht mehr im gängigen Sinn existent. Wir sprechen dann von Phantomschmerzen.

Völlig falsch ist nun der Schluss, es gebe vielleicht «umgekehrte Phantomschmerzen», ausgehend von etwas, «das bisher noch gar nicht zum Körper gehörte». Das ist blanker Unsinn: Neurologische Verbindungen gibts nur zu Körperteilen und nicht zur Welt der Dinge um uns herum. Wie aber ist nun der Fall der jungen Damen einzuordnen, die – hoch sensitiv – die Schmerzen wahrnahmen, an denen ihre Stöckelschuhe litten? Es gibt einen einzigen Schluss: Der Schuh – oder mindestens der Absatz – ist als zum weiblichen Körper gehörig zu betrachten. Es ist vermutlich – seit dem Scheitern von Dr. Kneipps Barfusstheorie – eine symbiotische Verbindung zwischen Fuss und Schuh entstanden, wie wir sie auch aus der Natur kennen: zwischen Köcherfliege und Köcher, zwischen Einsiedler-krebs und seinem Muschelhaus etwa.

Zu akzeptieren, dass der Schuh als zum weiblichen Körper gehörig betrachtet werden darf, könnte eine emanzipatorische Befreiung darstellen: Imelda Marcos’ 1200 Paar Stöckelschuhe wären so nicht mehr als Ausdruck pathologischer Konsumsucht zu verstehen, sondern lediglich als besonders sorgsame Pflege des Körperteils Absatz.

Die Askforce verwehrt sich präventiv gegen den Vorwurf, hier frauenfeindlich zu argumentieren. Bei Männern ist das beschriebene Phänomen nämlich schon lange bekannt. Nur ist der männliche Fuss keine symbiotische, neurologisch-emotionale Verbindung mit dem Absatz eingegangen, sondern mit dem Gaspedal. Nehmen Sie dem Herrn mit ausgeprägtem Bleifuss den Wagen weg, und Sie sehen angesichts der physischen und seelischen Schmerzen, die er dabei zu erleiden hat, dass es sich beim Gaspedal um einen körpereigenen Bestandteil des Individuums handeln muss.

Ob es dem sensomotorischen Kortex im weiteren Verlauf der Evolution gelingt, weitere Elemente scheinbar unbelebter Materie einzubinden, ist schwer abzuschätzen. Erweiterungen des Körperlichen sind bis jetzt auf die Füsse beschränkt. Dort droht den Damen übrigens am meisten Gefahr: Auch in Stöckelschuhen können Bleifüsse stecken.

Askforce Nr. 724,
7. September 2015